16. Mai 2005 Reise nach Urumqi im Nordwesten Chinas

 

Auszug aus einem Brief an meine Mutter: 

 

. . . . . .es fing vor allem schon mal mit dem Abflug hier in Islamabad an. Wir hatten natürlich ganz normal gebucht mit der „China Southern Airline“, bekamen dann aber im Flieger selbst noch ein „Upgrade“ für die Business-Klasse. Also umziehen und nach vorne setzen. Von den Sitzen her ist das ja wirklich immer ein gewaltiger Unterschied, man fällt plötzlich in breite Sessel, aber ich hatte irgendwie schon gestaunt, daß da nicht mal Fußrasten sind. Und sonst kriegt man in der Business, meist noch bevor man auf’s Rollfeld kommt, mindestens erstmal einen Schluck Orangensaft oder Sonstiges. So und hier waren wir dann bereits über eine halbe Stunde in der Luft, die Zunge klebte mir am Gaumen, als ich dann mal nach wenigstens einem Glas Wasser fragte. Das bekam ich in einem Mini-Pappbecher gereicht! Sehr sonderbar. Ja und dann wurde Essen verteilt. Die üblichen Deckchen, die in der Business auf die Klapptische gelegt werden, gab’s nicht, dafür kriegten wir eine Papiertüte gereicht, die wir ganz erwartungsvoll öffneten. Zum Vorschein kam dann ein eingewickeltes weiches, trockenes, süßes Brötchen und eine ebenso eingewickelte ca. 10 cm lange ungeschälte Mini-Gurke. Dazu war noch ein Plastikbesteck in der Tüte! Tja, hm, mit diesem Messer die Gurke von der Schale zu befreien, war gar nicht so einfach, aber was dann machen damit? Also kleine Scheiben und auf’s Brötchen. Der erste Biß in’s süße Brötchen, ohne Butter, mit ’ner Gurke drauf – bäh, nee. Also gefragt, ob die wenigstens etwas Salz oder Pfeffer haben. Nee, gab’s nicht. Es gab nicht mal einen Teller, auf dem man das Ganze hätte schneiden oder zubereiten können, geschweige denn eine Serviette. Auf die Frage nach solcher ging die Stewardess zur Toilette (!) und gab mir dann ein paar von den kleinen Papiertüchern, die’s dort gibt. Nachdem dann später die Tüten und Abfälle wieder eingesammelt wurden, kam aber doch noch ein Wagen durch den Gang und man konnte Orangensaft oder Cola bekommen. Zu dem Zeitpunkt hätten wir nur zu gern gewußt, was es denn erst hinten in der Tourist-Class gegeben haben mag (Die Antwort bekamen wir auf dem Rückflug: das Gleiche – trocken Brötchen und ’ne Gurke!!!). Na, haben wir wenigstens in breiten Sesseln gesessen und kurz vor dem Anflug auf Urumqi einen so sagenhaften Ausblick in eine Schnee-Berglandschaft gehabt, der dann für alles entschädigt hat. Die Berge gingen dann langsam in braune Wüste über, aus der erst einige kleinere Dörfer und dann Urumqi zu erkennen war. Aber rundherum wirklich nur Wüste und Berge.

Nachdem wir endlich durch das Geschiebe und Gerangel und Gedränge der mitgereisten Pakistaner durch den einen einzigen schmalen Ausgang für Zoll und Paßkontrolle durch waren, atmeten wir auf, weil da ja nun einer vom Hotel stehen sollte mit einem Schild in der Hand, auf dem unser Name steht und der Hotelbus draußen stehen und uns abholen sollte. Das Ganze war übrigens alles vorher per E-Mail mit Shuxia Zhou vereinbart und arrangiert, wobei wir bis fast zuletzt nicht mal wußten, ob wir da mit einem Mann oder einer Frau korrespondieren. Sie klärte uns aber auf, also, es war Frau Zhou. Jedenfalls, oh weh, oh Schreck, am Airport war absolut niemand, der nach einer Familie Bußmann suchte! Dafür versuchten sich einige Taxifahrer aufzudrängen, die wir erstmal abweisen mußten, weil wir ja immer noch dachten, der Bus kommt vielleicht noch. Am Ende blieb jedenfalls nichts anderes übrig, als doch einen Taxifahrer anzusprechen, aber außer dem Wort „Telefon“ hat der nicht ein Wort englisch verstanden (die anderen übrigens auch nicht –wir hatten ja mehrere Versuche frei). So hab ich dann aus meinem Handgepäck die Telefon-Nr. von der Frau Zhou rausgegraben, weil wir außer dem Namen des Hotels natürlich keine Adresse hatten, und den Namen „Oasis Spa“ kannte nicht einer der Fahrer. Klar, die konnten die für uns normalen Buchstaben gar nicht lesen!!! Und daß das gar kein „richtiges“ Hotel war, stellte sich dann auch erst heraus, als wir dort waren. Einer der Fahrer hat dann nämlich sein Handy genommen und Frau Zhou angerufen. Und die hat ihm erklärt, wo wir hin müssen. Also „Spa“ bedeutet eigentlich nur soviel wie „Wellness-Center“ oder „Erholungs-Bad“, also wo, wie in Deutschland auch, ganz normale Tagesgäste zum Baden und Erholen hinkommen und nach dem Baden wieder nach Hause fahren. Das Ungewöhnliche hier war eben, daß man dort auch übernachten kann. Zudem war ungewöhnlich, daß die Chinesen, und zwar ALLE in GANZ China noch 4 Tage lang „Maiferien“ hatten (also die normale arbeitende Bevölkerung hat Jahresurlaub). Das sind die sog. „großen Ferien“, die genau eine Woche dauern, mehr kriegen die da nicht. Das wirkte sich jedenfalls so aus, daß wir mit unserem Gepäck über einen Gang im 3. Stock rollten, auf dem wir dachten, wir sind schon in der Sauna, und von dem aus man nach unten ins Bad gucken konnte, aus dem eine mächtige Geräuschkulisse nach oben drang. Zudem sahen wir, daß das Bad gestopfte-proppe voll war. Na, es war inzwischen ca. 19 Uhr geworden, bis wir alles auf dem Zimmer hatten, über das wir aber doch erstmal staunten: ein Flur mit Schränken, ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer mit einem großen Doppelbett und einer Massagebank und dann ein Bad mit Jacuzzi-Wanne und eigener kleiner Sauna. Und über ein paar Häuser und Schornsteine hinweg guckten wir in die schneebedeckten Berge.

Ab 20 Uhr sollte es Essen geben, so haben wir uns erstmal in dem Hotel umgesehen und uns dann in das Restaurant begeben. Freundlich sind sie ja alle, aber kamen doch erstmal auf uns zugelaufen, wir müßten doch bitte, den „Einheitsanzug“ anziehen. Hä?? Wie jetzt? Einheitsanzug? Bis wir uns unter den Gästen umsahen und feststellten, daß die tatsächlich alle, aber wirklich alle in rosanen (die Frauen und Mädchen) bzw. grünen oder blauen (Männer und Jungs) kurzbeinigen Schlafanzügen rumliefen oder saßen und ALLE dieselben rosanen oder blauen Gummisandalen (Badelatschen) anhatten. Och nee, also bitte, das ja nun nicht. In Jochen’s Größe gibt’s sowieso weder diese Anzüge noch die Latschen, und nee, überhaupt, also das muß ja nun wirklich nicht sein. Also geredet und geredet, bis die dann wohl ein Einsehen hatten, vor allem aber, wohl gar nicht verstanden, was wir denen geantwortet haben, und erstmal einen Tisch bzw. ein Plätzchen gesucht. Aber das war auch Fehlanzeige. KEIN einziger freier Platz. So wurden wir gebeten, doch erstmal in dem Ruheraum Platz zu nehmen, wir könnten dort auch etwas zu trinken bekommen. Ja, der Raum schloß sich gleich mit offenem Durchgang an’s Restaurant an, also sind wir dort hinein. Nur, man konnte dort nicht sitzen, sondern in all den vielen Sesseln immer nur fast liegen. Und jeder Sessel hatte einen eigenen kleinen Fernsehschirm auf so einer Mittelkonsole zwischen den Sesseln und kleine Lautsprecher in den Kopfteilen eingebaut. Da lagen wir dann erstmal zwischen all den Chinesen in ihren Schlafanzügen, die da sonst noch ruhten bzw. fern sahen, bekamen ein Bier serviert und fingen langsam an zu schwitzen. Wurden auch gefragt, ob wir gleich mal eine Fußmassage haben wollten, was ich zwar dankend ablehnte, aber Jochen dann ganz toll fand. Warum nicht mal vorm Essen gleich die Füße massieren? Da man da aber nicht rauchen durfte, und ich fast soweit war, daß ich schon wieder unter die Dusche mußte, hab ich mein Bier genommen, und bin erstmal wieder auf’s Zimmer. Nach ’ner knappen Stunde kriegte Jochen immer noch einen Zeh nach dem anderen durchgeknetet und die Waden bis zum Knie hoch abgeklopft und durchgewalkt, aber dann ging’s endlich an einen Tisch. Und dann an’s Büffet. Tja, da war nicht mehr allzu viel übrig, zudem war das meiste bereits kalt und wir wußten sowieso nicht so recht, wo wir hinlangen sollten und was das alles darstellte. Gut erkennen konnten wir die Scampis und haben uns erstmal einen Berg davon aufgeladen. Dazu noch ein Bierchen, und wir hatten um ca. 22 Uhr wenigstens etwas im Magen. Aber dann? Nach unserer pakistanischen Zeit war es ja erst 19 Uhr. Hatte zwar Kartenspiele mitgenommen, aber da hatte Jochen dann keine Lust. Zu Lesen gab’s reichlich im Hotel, aber nicht ein Buchstabe davon für uns lesbar! Im Fernsehen liefen über 60 Programme, aber nur drei davon in Englisch (einer nur mit Sport, einer nur mit Nachrichten über chinesische Begebenheiten und ein Naturfilmprogramm). Gleich mal den Jacuzzi-Pool ausprobieren ging auch nicht, die Düsen machten Lärm und Jochen lag nebenan und schlief. Also hab ich noch in den Fernsehkanälen herumgezappt.

Am nächsten Morgen reichte dann ein schräger Blick von Jochen zu mir und von mir zu Jochen und wir wußten, daß es jedem von uns gleich ging: wir merkten jeden Hüft- und Rippenknochen!!! Es fühlte sich an, als hätten wir auf dem blanken Steinfußboden geschlafen. Aber erstmal wollten wir doch „anständig“ frühstücken, bevor wir die Umgebung erkunden und Urumqi erobern. Also in freudiger Erwartung ins Restaurant, aber beim Blick in die Töpfe, die alle zu dem Büffet gehörten, verging langsam die Freude. Morgens schon feurige Nudeln und undefinierbare Fleischteile? Nein, also mal beim „Kalten“ gucken. Aber was war das? Lauter Kuchen-teilchen und Zuckerstückchen – wo waren Brot oder Brötchen? Na, dann suchen wir doch erstmal was zu trinken. Zwei große Kannen standen auf den Warmhalteplatten, aber darin kochte Milch! Wo ist denn der Kaffee oder Tee, oder ein Saft oder wenigstens Wasser? Na, kurzum, wir setzten uns erstmal an einen der Tische, auf denen weder Teller noch Decken noch Tassen oder Löffel, auf denen einfach NICHTS lag und – obwohl wir ein Schälchen mit Marmelade entdeckt hatten, und uns den Mund fusselig geredet haben, es blieb dabei, es gab kein Brot, keine Butter oder Margarine und auch keinen Tee. Den Kaffee mußte ich mir aus einer Getränkekarte bestellen, in der aber nur „Espresso“ auftauchte, der dann 1,80 € kostete und aus einem kleinen Schlückchen schwarzer Brühe mit dickem Satz unten drin bestand. Hab dann nach Wasser gefragt und bekam einen Wasserspender gezeigt, der um die Ecke hinter einer Säule stand. Na schön, aber wo waren Becher oder Tassen oder Gläser? Nach erneutem Fragen, zog dann ein Kellner aus einem Schränkchen eine Schublade auf und holte da aus allem möglichen Sammelsurium zwei kleine Pappbecher hervor. Na, so konnte ich mir wenigstens diesen Espresso etwas verdünnen und einen Schluck davon nehmen, aber ansonsten blieben unsere Mägen leer!!!

So beschlossen wir, erstmal einen Einkaufsbummel zu machen bei dem wir tatsächlich Nescafe im Glas entdeckt haben. Einen Wasserkocher hatten wir ja auf dem Zimmer. Dort gab’s auch Teebeutel, aber Butter oder Margarine gibt es tatsächlich in keinem Laden. Also stand fest, wir verzichten dann die weiteren Tage auf’s Frühstück, schlafen lieber schön lange, genießen dann das Bad und gehen ab 14 Uhr zum Mittagessen runter. Was soll’s, wir frühstücken sonst auch nicht (bis auf Wochenenden) und meinen Kaffee konnte ich mir ja nun oben im Zimmer kochen. Das war dann auch meine erste Amtshandlung. Blöd ist nur, daß man hier absolut nichts lesen kann. Also war Raten angesagt bei den ganzen kleinen Fläschchen, die auf dem Tablett über der Minibar standen. Und von zwei Fläschchen und einer Flasche mit total Durchsichtigem, griff ich zur Flasche und stellte auch beim Öffnen kein Zischen fest: also Wasser. Ja denkste: nachdem ich mir morgens im Bad schon Haarspray als Deo unter die Arme gesprüht hatte, weil’s gut roch und die Dose auch wie Deo aussah, bis es fürchterlich klebte und bappte, kochte ich nun meinen Kaffee mit Zitronenwasser!!! Erst dachte ich, mit dem Kaffeepulver stimmt etwas nicht, aber dann sah ich, daß auf der Flasche doch etwas andere Zeichen waren, als auf den Fläschchen. Na, wir sind nachmittags noch mal losgetrabt in einen kleinen Supermarkt um die Ecke und haben jede Menge großer Wasserflaschen gekauft. Dafür war aber das erste Mittagessen ein echter Genuß mit reichlich viel Auswahl an Fleischigem und Gemüse und Reis und Nudeln und Fisch. Allerdings waren in dem Topf mit Fisch nur Köpfe, die uns anstrahlten!!! Shuxia erklärte uns am letzten Abend, daß die Chinesen wirklich leidenschaftlich gern Fischköpfe essen. Der Rest vom Fisch wird in irgendwelchen Suppen oder Mischgerichten verarbeitet. Jedenfalls war alles, was wir uns nun aussuchten, äußerst lecker, aber wirklich für jeden normalen Europäer nicht nur zuuu scharf, sondern mit Sicherheit ungenießbar scharf. Wir sind’s gewohnt und mochten es. Zu dem Büffet mit all den Töpfen waren da auch noch zwei Tische mit je einem Koch dahinter. Dort konnte man sich aus Mengen verschiedener roher und frischer Sachen selbst eine Auswahl zusammenstellen und entweder beim einen Koch abgeben, der das dann in einen Topf mit siedender dunkelroter Flüssigkeit gab, kurz durchwallen ließ und anschließend mit einer Siebkelle wieder rausschöpfte. Oder man gab es dem anderen Koch, der es auf einer heißen Platte alles kurz anbriet und drehte und wendete. DAS war natürlich lecker bis zum Abwinken, und wir haben uns täglich zu allem anderen, sowohl mittags als auch abends, immer tellerweise Shrimps aufbrühen lassen. Die waren dann unglaublich feurig scharf und selbst uns standen manches Mal die Tränen in den Augen und der Schweiß auf der Stirn, aber das war egal.

Am Nachmittag haben wir uns dann zu einem ersten längeren Spaziergang aufgemacht und die Gegend erkundet. Von einer riesigen Kreuzung direkt vor dem Hotel hatten wir die Möglichkeit in vier verschiedenen Richtungen und sind erstmal losgelaufen. Teilweise hübsch angelegte Wohngegend mit kleinen Geschäften, überwiegend Restaurants, kleinen Parks mit Bänken und überall die Fußwege als überwachsene Laubengänge. Also man spazierte immer schön im Schatten. Teilweise aber auch viel Heruntergekommenes, Verfallenes, Verrottetes – es waren Wege der totalen Gegensätze, auch die wir in den nächsten Tagen unternommen haben. Außer den Wohnblocks mit Läden war es überwiegend ein noch nicht fertiges Gewerbegebiet mit einer Brauerei und vielen Werkstätten. Imponiert haben uns die breiten, mindestens 3-spurigen (in jede Richtung) Straßen überall. Und überall in den Laubengängen saßen die Chinesen an Spieltischen mit dicken Trauben von Zuguckern drumherum. Manche spielten Karten, andere etwas, das wie Domino aussah (nennt sich Majong) und wieder andere spielten auf einem Brett mit so „Dame und Mühle-Steinen“. Aber das Brett sah total anders aus. Und an fast jeder Ecke stehen Billard-Tische auf den Bürgersteigen, an denen auch fleißig gespielt wurde.

Nachdem wir dann auch das Abendessen, das es ab 20 Uhr gab, genossen hatten, haben wir selbst ein paar Runden Karten gespielt, unten an einem der großen Restaurant-Tische. Ab 21 Uhr setzte sich jeden Abend eine kleine Chinesin an den Flügel, der unten im Bad stand und spielte dann drauflos. Das war ein wahrer Genuß.

Die nächste Nacht konnten wir dann wieder abhaken! Eine Stunde hab ich’s mal auf der Massageliege versucht, die sich am Ende als genauso hart entpuppte, ab 3 Uhr hab ich dann alle möglichen Kissen zusammengesam-

melt und die als Unterlage zum Liegen im Bett genommen, rollte aber dauernd irgendwo runter und ab 7 Uhr lagen sie endlich richtig, so daß ich gegen 11 Uhr total gerädert aufwachte und mir erstmal einen Kaffee gemacht hab. Jochen sprudelte inzwischen im Jacuzzi, der sich dann mit geschlossener Badezimmertür doch nicht als zu laut entpuppte, und bis zum Mittagessen haben wir uns beide erstmal eine tolle Kopfmassage im Ruheraum geben lassen. Da kneten die tatsächlich über eine Stunde bis zum Nacken und den Schultern an einem herum. Aber herrlich war das.

Für den nächsten Tag, den letzten der chinesischen Ferien, hatten wir einen Ausflug in ein Weinanbaugebiet geplant, der uns erstmal stundenlang mitten durch die Berge/Wüste und u. a. durch den zweitgrößten Windpark der Welt führte. Der größte ist, glaube ich, irgendwo in Kalifornien. Das war jedenfalls ein gewaltiger Anblick und über Kilometer Straßenlänge auf beiden Seiten nichts als Windräder. Bevor wir dann in das Weingebiet kamen, machte der Fahrer noch Halt bei einer antiken, zerfallenen Stadt, durch die wir auf der Pritsche eines Eselskarren geholpert sind. Ach du Elend, das war was für die Knochen, von denen wir ohnehin schon jeden einzelnen spürten. Leider konnte uns kein Mensch was zu dieser Stadt erklären und auf den Eintrittskarten mal wieder alles in diesen Hieroglyphen. Hochinteressant war dann der nächste Haltepunkt unseres Fahrers (Shuxia hatte nur für uns zwei einen Kleinbus organisiert!): der Ausgangspunkt eines 2.000 Jahre alten unterirdischen Bewässerungs-systems, aus dem aus über 500 Brunnen noch heute das Wasser geschöpft wird. Und das ganze System ist über unglaubliche 5.000 km verzweigt und vernetzt. Dadurch kann dort mitten in der Wüste auch u. a. Wein, Getreide und Baumwolle angebaut werden. Das war in einem Gebäude mit Tafeln und Modellen alles schön anschaulich dargestellt und man konnte dann auch in einen unterirdischen Gang, wo über den verschiedenen Wasserläufen dicke Glasplatten lagen, durch die man es fließen sehen konnte. Die ganzen Erklärungen hierzu waren dann wenigstens auf den Tafeln und auch auf der Eintrittskarte ausführlich in Englisch beschrieben. Durch das eigentliche Weinanbaugebiet sind wir dann nur durchgefahren, da ja absolut noch keine Saison war, obwohl wir wenigstens irgendwo mal auf eine kleine Probe gehofft hatten.

Wieder im Hotel angekommen, wurde nach zwei Tagen dann auch endlich mal die zentrale Klimaanlage im Zimmer richtig eingestellt, nachdem ich mich mal beschwert hab. Es war nämlich affig heiß da oben. Zum Glück funktionierte die separate Klimaanlage im Schlafzimmer immer. Übrigens war es draußen all die Tage unheimlich angenehm kühl, so um die 23 – 25 Grad und immer ein kräftiger Wind.

Am 8., Sonntag, waren dann endlich die Ferien vorüber und wir konnten nach langem Ausschlafen auf dicken Kissenpolstern zum ersten Mal das schöne Bad genießen. Vor allem taten all die verschiedenen Unterwasser-Massagedüsen in dem fast schon zu warmen Wasser den verrenkten Knochen gut. Das haben wir natürlich bis zum Mittag ausgenutzt. Frische Früchte und kaltes Trinkwasser bekommt man automatisch an den Tisch gebracht, wo man sich zwischendurch hinsetzten kann (oder in die Hollywood-Schaukel) und ein lecker Eis haben wir uns natürlich gegönnt. Nach dem Mittag waren wir um kurz nach 15 Uhr wieder auf dem Zimmer und wollten ein Mittagsschläfchen machen, stellten aber entsetzt fest, daß da nach vorher schon dreimal fragen immer noch kein Zimmerservice gewesen ist, also noch keine Betten gemacht, kein Papierkorb ausgeleert, kein Bad gemacht, kein Geschirr weggeräumt oder saubergemacht. Ja, mit dem Service kann man den Teil von China noch bei weitem nicht mit Europa vergleichen – aber lieb und freundlich sind sie alle und immer am Strahlen.

 

…… zwischendurch sind wir an all den Tagen immer mal wieder mit der Taxe (Preis immer unter 1 €!) in die Stadt gefahren und auf den verschiedensten Märkten und in Einkaufs-Zentren rumgebummelt, wo es immer wieder Neues und Aufregendes zu sehen gab. Von diesen geräucherten und platt gedrückten, aufgehängten Enten und dem unkenntlichen Tier, das daneben hing bzw. lag (s. Bilder) und sonstigen „Lebensmitteln“, die man alle noch nie gesehen hat, in den großen Hallen, waren wir natürlich am meisten fasziniert. Die lebenden, männerhand (nicht –faust)-großen Frösche und Wasserschildkröten in der Frischfischabteilung mußt Du Dir später auf dem Film ansehen. Ebenso die dunkelgrauen, fast schon schwarzen Hühner- oder Enteneier, die anscheinend schon wochenlang angebrütet waren, und sonstige Eier in allen Größen und Farben. Riechen tat’s aber überall gut und lecker, nur manches hätte ich nichtmal anfassen, geschweige denn essen mögen.

Aber von einem sagenhaften Ausflug, den wir am 1o. Mai  gemacht haben, muß ich Dir doch noch kurz berichten. Also da gibt es weiter im Norden, nachdem man wieder kilometerweit nur Wüste durchquert hat, in fast 3ooo m Höhe einen wundervollen Bergsee, den „Himmlischen See“. Der ist umgeben von verschieden hohen Bergen bis zu knapp 4.ooo m hohen Gletschern. Da hatten wir unseren kleinen Bus auf einem Parkplatz stehen lassen und sind mit einer Gondelbahn hoch hinauf. Die hatte tatsächlich 89 Gondeln in jeder Richtung und die Fahrt nahm und nahm kein Ende. Eine solche Entfernung und einen solchen Höhenunterschied hatten wir vorher noch nie mit einer Seilbahn überwunden. Die Fahrt da 'rauf allein schon war gigantisch. Vom Endpunkt der Seilbahn aus, haben wir uns nochmal in einen kleinen Elektrokarren geschwungen, in dem es die letzten Meter hoch ging. Und dann bot sich ein Bild, das einem erstmal den Atem verschlug. Dieser See mit den gewaltigen Bergen im Hintergrund, die höchsten davon mit Gletschereis auf den Spitzen, rechts und links Berge, die an „Heidi“ erinnerten; der See selbst, mit einem auf einer Bergkuppe gelegenen kleinen Kloster, der kurzzeitig mal Erinnerungen an den Königsee wachrief; und zwischen den Bergen und über dem See kreisten Milane – das war fast so atemberaubend wie der Anblick des Himalaya und Karakhorum mit dem K2 und dem Nanga Parbat bei schönster klarer Sicht und superdeutlich auszumachen, auf dem Rückflug nach Islamabad   (hin hatten wir dort leider Wolken). Auf alle Fälle war der Blick aus dem Fliegerfenster das Gigantischste und Beeindruckendste, was ich je gesehen hab. Irgendwie auch völlig anders, als das Gefühl, das ich hatte, als ich vor dem Taj Mahal stand. Kann man irgendwie auch nicht vergleichen. Man fliegt über das höchste Gebirge der Welt und kann es fast anfassen. Immerhin war die Flughöhe gerade mal 1o.ooo m!!! 

Aber ich bin ganz von dem sagenhaften See abgekommen. Also man konnte ein Boot besteigen und eine kleine Rundfahrt machen, die an sich sehr sehr schön war, wenn nicht eine Chinesin mit einem Megaphon die ganze Zeit irgendwelche quietschenden Informationen durch die herrliche Landschaft gekreischt hätte. Natürlich waren wir die einzigen „Nicht-Chinesen“ auf dem Boot. Ein paar Informationen bekam ich von einem Chinesen, der in den Staaten lebt und wenigstens der englischen Sprache mächtig war. Den hab ich dann natürlich ausgequetscht über alles, was die da erzählt bekamen. So erfuhr ich auch die Höhenlage des Sees und der umliegenden Berge und daß der See an der tiefsten Stelle rd. 100 m tief ist. Naja, da sprechen Bilder und Film dann wohl später für sich.

Am letzten Tag vor unserer Abreise haben wir tatsächlich noch die liebe Shuxia kennengelernt. Sie wollte uns noch einen Tempel in Urumqi zeigen, und wir hatten vereinbart, daß wir mit einer Taxe dort hinfahren, um uns dort zu treffen. Das lief so, daß sie im Hotel telefonisch erklärte, wann die Taxe uns wo hinbringen sollte, weil wir selbst ja gar nicht wußten, wo wir hin sollten. Sie selbst kam dann auch pünktlich kurz nach unserer Ankunft dort mit dem Bus angerauscht und wir waren total erstaunt. Ein zartes, kleines Persönchen, lange schwarze Haare, lustiges, strahlendes Gesicht und das Staunen wurde größer, als sie uns später sagte, daß sie bereits 39 ist. Ich hätte sie auf höchstens Ende 20 geschätzt. Sie hat im letzten Jahr ihren Bruder und ihren Mann, beide durch einen Autounfall, verloren, war sich aber ganz sicher, daß sie bald wieder heiraten wird und hat uns jetzt schon zu ihrer Hochzeit eingeladen. Süß, was?

Na, dann führte sie uns aber erstmal durch das ganze parkartig angelegte Gelände, in dem der Tempel (bzw. mehrere Tempelgebäude) stand. Das war teilweise wie ein kleiner Vergnügungspark angelegt mit einer großen Schiffschaukel, ein Stück weiter des Wegs eine Rollschuhbahn, und dann ging es steile Stufen hoch. Mit einem Absatz für eine Pause waren das 151 davon und ich hab heut noch einen Muskelkater in den Waden! Aber das Krabbeln hat sich gelohnt. Leider durfte man in den Tempeln nicht fotografieren oder filmen, aber Jochen ist trotzdem eine tolle Aufnahme von einem der goldenen Buddhas darin gelungen. Auf einem großen freien Platz vor den Tempeleingängen waren überall große mit Sand gefüllte Behälter aufgestellt, in dem mengenweise Räucherstäbchen steckten, die einen tollen Duft verbreiteten. Shuxia hatte, bevor wir die Treppen raufkraxelten, auch ein dickes Bündel mit diesen Stäbchen gekauft, die sie dann an einer dicken Kerze entzündete und einzeln in den Sand steckte. Sie erklärte uns, daß man das machen kann, einfach, um sich etwas zu wünschen. Das kann für die Gesundheit, oder einfach nur Glück allgemein oder aber für Wünsche für Freunde und Verwandte sein. Sie selbst hat die Stäbchen da für ihren Bruder und ihren Mann reingesteckt, ging dann sogar in einem der Tempel auf einem der Kissen vor der Buddha-Statue auf die Knie und hat wohl gebetet.

In einem anderen Tempel saß vor einer Glaswand mit unzähligen kleinen goldenen Buddhas ein uraltes Mütterchen vor drei kleinen Vogelkäfigen, die vollgestopft mit niedlichen kleinen Piepern waren. In jedem Käfig verschiedene. Sie winkte uns zu sich und machte einen überglücklichen Eindruck, als sie uns ein wenig Futter aus einer großen Tüte in die Hand gab und zeigte uns, wir sollten das in den Käfig streuen. Bei der zweiten Futtergabe wies sie uns den zweiten Käfig, und danach bekamen wir Futter für den dritten Käfig. Dazu erzählte sie bei jeder Futtergabe sowas wie einen Spruch und strahlte uns immer wieder an. Das war irgendwie eine sehr beeindruckende Zeremonie, zumal sie sich am Ende ganz überschwenglich bei uns bedankte und mit uns den Tempel verließ. Die Vögel blieben in ihren Käfigen im Tempel. Shuxia hat die Vögel übrigens auch gefüttert und jedesmal, wenn das alte Mütterchen diesen Spruch sagte, hat Shuxia den wiederholt. Irgendwie hatte uns das so überwältigt, daß wir später gar nicht gefragt haben, was das Ganze zu bedeuten hatte.

Wir sind noch ein wenig durch den Park gewandert, bevor wir Jochen überreden konnten, für die Rückfahrt in die Stadt einen Linienbus zu nehmen. Das war natürlich auch hochinteressant. Ausgestiegen sind wir dann im Moslemviertel, weil Shuxia uns das zeigen wollte und dort auch riesige Märkte sind !!! Oh Schreck, wir dachten fast schon, wir sind wieder zu Hause. Vermummte Gestalten, Moslem-Käppis auf den Köpfen und ein Geschiebe und Gedränge und  Gebrülle und Krakehle…… Haben nur schnell noch in ein paar Läden reingeguckt und sind dann mit der Taxe ins Hotel. Dort haben wir Shuxia dann zum Abendessen eingeladen, wobei sie bestätigt hat, daß wir bisher bei der Auswahl am Büffet nichts falsch gemacht haben (also nicht versehentlich Hunde oder Ratten verspeist hatten), und eben auch die Sache mit den Fischköpfen.

Am Sonntag dann, kaum wieder hier gelandet und zu Hause angekommen, war auch schon eine Mail von Shuxia da, in der sie sich großartig bedankte für den tollen Tag, den sie mit uns erlebt hat und wie begeistert sie von uns war. Dabei ging’s uns natürlich eher umgekehrt so.

Interessant war noch, daß sie uns erzählte, daß eigentlich alle der Hotelgäste im Oasis-Spa keine „normalen“ Chinesen sind, die sich da den Eintritt leisten können und einfach mal entspannen und zum Baden fahren. Vor allem auch die, die dort übernachten, sind samt und sonders Chinesen, die für irgendwelche Verdienste einen Aufenthalt dort mitsamt ihren Familien  von ihren Firmen gesponsort bekommen, oder irgendwelche Bosse und Bonzen, die das von sonstwem bezahlt bekommen. Wir hatten uns auch irgendwie schon gewundert, weil Shuxia sagte, daß der normale Durchschnittsverdienst so bei 1.000 Yuan im Monat liegt, und das sind 100 Euro!

Ja, vom überwältigenden Ausblick beim Rückflug hab ich ja schon berichtet…….  Das einzige, wo wir uns nun langsam dran gewöhnen müssen, sind die Temperaturen, die tagsüber schon locker wieder 36 Grad erreicht haben und dazu wieder das ewige Geschreie der Mullahs um uns herum. Ohne das wär Islamabad jetzt wirklich wunderschön, alles blüht und grünt, die ganze Stadt ist ein buntes Farbenmeer. Und trotzdem freuen wir uns nun auf den Augustin Deutschland